Dienstag, 5. März 2013

Die gelbe Gefahr



Vor Ostern hat diese Farbe Hochsaison. Gelb. Wohin das Auge reicht. Gerade sind wir wieder im Stadium der allgegenwärtigen Frühlingsgefühle, die offenbar durch Anreichern von Schaufensterauslagen und Frühstückstischen mit Zitronengelb, den herannahenden, österlichen Klimax noch verstärken soll. Zusammen mit den flankierenden Entzückungs-Beschleunigern Apfel-Grün und Aprikosen-Orange scheint das dekorative Leben in Helvetiens Stuben vor der grossen Schoggihasen-Sause ein einziger, fröhlicher Eierlikör-Taumel zu sein. In diesem Ausnahmezustand kennt Gelb keinerlei Grenzen. Arglose Hasen, Enten, Gänse, Schafe, Hühner und Singvögel infizieren sich damit. Erbarmungslos greift es auch Tischdecken, Servietten, Frühstücksgeschirr, Blumentöpfe und sogar hilflose Vorhänge an. Nicht mal Lebensmittel sind vor Überfällen geschützt. Kuchen, Petit-Fours, Cupcakes, Plätzchen. Alles gelb. Und wenn es schon nicht gelb ist, dann hat es zumindest Osterglockenmuster aufzuweisen, sonst scheint die Gefahr zu bestehen, dass der Frühling vielleicht gar nicht aufwachen will. Und wer würde es ihm in Anbetracht dieser farblichen Missstände auch verdenken?

Source: http://www.bellemaison23.com

Nun ist es ja so, dass so ein Frühling durchaus auch Verständnis für andere, ansprechende Farben aufbringt. Da gäbe es noch Puderrosa, Himmelblau oder Stets-Perfektes-Weiss. Alles dezente und ehrbare Couleurs, die in vernünftigen Dosen angewendet, angenehm den Lenz unterstützen und trotzdem beim Ansehen weder quietschen noch glucksen. Immerhin sind in der Tierwelt auch nur Küken und Kanarienvögel wirklich gelb. Alle anderen oben genannten Kreaturen weisen im richtigen Leben eine gedeckte und doch stilvolle Farbpalette auf. Wer sich also keine echten Küken ins Wohnzimmer holen möchte, sollte sich auf frische Narzissen und ein paar gefärbte Eier beschränken, denn zu viel dieser vermeintlich Fröhlichkeit stimulierenden Farben gepaart mit grünen Strohhasen auf dem Klo und Kopfkissenbezügen mit lustigen, orangenen Hühnern hat schon manchen Ehemann ins Liebes-Exil getrieben. 

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Das Drama des Frühlings-Gelbes setzt sich erschreckenderweise gegen Ende des Sommers in Form des Sonnenblumenwahns fort. Wo im April Narzissen prangten, verfolgen uns im August diese allseits beliebten, Möchtegern-Flower-Power-Revival Korbblütler. Die eidgenössischen Balkone, Terrassen und Wintergärten sind mit diesen zumeist unförmigen und riesigen Blumen vollgestopft. Sie siechen in Blumentöpfen mehr schlecht als recht dahin, werden in zu kleine Vasen gepfercht und finden sich auf jedem Sitzkissen in Gartenrestaurants von Dürrenäsch bis Vico Morcote wieder. Wer im Sommer seiner Liebsten ein wirklich hochromantisches Geschenk machen will, der bringt gerne mal eine einzelne Sonnenblume mit. Ich weiss nicht in welchem Film das vorkam, aber es muss einfach mal gesagt sein: Sonnenblumen mögen für die Speiseölgewinnung geeignet sein, aber um eine Lady rumzukriegen, braucht es immer noch rote Rosen. Der lateinische Name dieses gelben Ungetüms ist übrigens Helianthus annuus und wen wundert es da, dass sich Van Gogh deswegen ein Ohr abgeschnitten hat.

Source: http://www.trendey.com

Natürlich ist Gelb eine durchaus respektable und ernstzunehmende Farbe, die das ganze Jahr über Freude bereiten kann. Es braucht nur das richtige Mass an Zurückhaltung im Umgang mit ihr und schon wird sie zutraulich und darf dann auch aufs Sofa. Ein Kissen hier, eine Lampe dort, ein Blickfang am rechten Ort in dieser überraschend dramatischen Farbe können im Handumdrehen aus einem durchschnittlichen Wohnzimmer einen aufregenden Salon machen. Es ist immer das Weniger, welches das Mehr hervorbringt. Die gelbe Gefahr ist in Wirklichkeit eine atemberaubende, wohlproportionierte Diva. Und eine Diva braucht Platz, um sich zu entfalten und im Notfall einen Schluck Eierlikör.

Source: http://www.bellemaison23.com

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