Freitag, 1. Juni 2012

Fritz ist möff und Pfister out


Was Trendforscher in mühevoller Arbeit erarbeiten mit Hilfe gründlicher Recherche und intensiver Analyse, das erfindet die Verkäuferschaft von eidgenössischen Möbelhäusern flugs morgens vor dem Spiegel beim Zähneputzen und in Anbetracht von Ladenhütern, die sie dringend loswerden wollen. Frau Meier und Frau Huber, seit langem beste Freundinnen und Kennerinnen der hiesigen Innendekorations-Szene, treffen sich zum Frühstück im Manor-Restaurant:

www.artcontrarian.blogspot.ch
 Frau Meier: „Schönes Wohnen ist uns wichtig. Am Weekend haben mein Mann und ich ein neues Sofa gekauft und wir sind richtig glücklich damit.  Wir haben auch eine Farbe gewählt, die jetzt im Trend ist.“ - Frau Huber: „Ach wirklich! Wo habt Ihr es denn gekauft und welche Farbe hat es?“ -  Frau Meier: „Wir waren bei Möbel Pfister. Billig war es nicht, aber immerhin liefern sie alles ins Haus und die Beratung dort ist einzigartig. Sie nehmen auch unser Altes mit, das wir damals ebenfalls dort gekauft haben. 15 Jahre ist das jetzt schon her. Ich hätte ja schon lange ein Neues gewollt, aber Heiri meinte, das Alte sei ja noch tipptopp. Immerhin sei es teuer gewesen und man müsse ja nicht immer gleich wieder alles ersetzen. Da hatte er natürlich Recht. Gut, das Ding hatte den damals total angesagten Multicolor-Look, der mir schon nach zwei Jahren etwas verleidet war, aber wenigsten hat man die paar Bratensaucen-Flecken nicht gesehen. Weisst Du, der Heiri isst gerne vor dem Fernseher, wenn Fussball läuft.“ - Frau Huber: „Ja, so was ist sehr praktisch. Wir haben auch so einen mint-farbigen Divan, der mit schmutzabweisendem Stoff bezogen ist. Welche Farbe hat denn Euer neues Sofa?“ - Frau Meier: „Es ist aus senffarbenem Leder und ist von De Sede. Die Verkäuferin hat gesagt, dass diese Farbe jetzt absolut in sei. Heiri fand zwar, dass ihm ein schwarzes Sofa besser gefalle, weil es zeitlos sei, aber ich habe ihn davon überzeugen können, dass man sich auch in unserem Alter noch etwas Modernes ins Wohnzimmer stellen kann. Die Verkäuferin meinte auch, dass so ein Farbklecks ein Zimmer komplett verändern könne. Das wirke dann alles viel frischer.“ 

Frau Huber: „Das ist schon wahr. Der Verkäufer von Möbel Märki hat damals genau das Gleiche gesagt, als wir uns für den Mint Divan entschieden haben. Wir haben dann auch noch Vorhänge mit Mint Schmetterlingen bei Märki machen lassen, damit die Farbe wieder aufgegriffen wird. Der Verkäufer war sehr nett. Er hat mich auf diese Idee gebracht. Das sind eben schon Profis dort. Die wissen, wovon sie sprechen. Die Vorhänge haben über Zweitausend Franken gekostet. Fritz war danach zwei Wochen lang möff, weil ich die Vorhänge einfach bestellt hatte, ohne ihn zu fragen. Aber jetzt findet er sie auch schön.“ - Frau Meier: „Ja, gell Gerda, es ist manchmal schon schwierig mit den Männern. Für schöne Dinge haben sie einfach keinen Sinn. Mein Heiri hat auch nicht verstanden, dass ich noch Kissen, Teppiche, Kerzenständer und zwei Lampen in senf-ähnlichen Farben kaufen wollte. Aber ich habe mich durchgesetzt. Schliesslich verstehe ich etwas vom Einrichten. Das sagen meine Freundinnen auch immer. Ich muss Heiri jetzt nur noch davon überzeugen, dass wir auch die Vitrine ersetzen müssen. Die Verkäuferin bei Pfister hat mir nämlich diese  Wohnkombination Urban gezeigt. Davon gibt es Sideboard, Kommode und Lowboard.“ - Frau Huber: „Was ist denn ein Lowboard?“ - Frau Meier: „Das ist ein tiefer gelegtes Siedeboard. Ist jetzt total im Trend. Da kann man dann den Fernseher drauf stellen. Und die ganze Serie ist im gleichen Stil und mit dem gleichen Holz, damit alles schön zusammen passt. Gut, sie ist jetzt nicht billig, aber immerhin haben wir ganz lange etwas davon und dieses dunkle Holz ist jetzt total angesagt. Das habe ich schon im Schöner Wohnen gesehen. So was Ähnliches hat auch Beni Thurnheer zu Hause.“ - Frau Huber: „Ehrlich? Ihr kennt den?“ - Frau Meier: „Nein, aber in der Home-Story von der Schweizer Illustrierten habe ich es gesehen.“ - Frau Huber: „Ja, der Beni hat eben Geschmack. Das war mir schon immer klar. Er  hätte sich jetzt nicht unbedingt von seiner Frau trennen müssen, aber eben, man will ja auch mal was Modernes, Frisches zu Hause.  Sag mal, musst Du dann an Weihnachten auch anderen Baumschmuck kaufen? Ich frage nur, weil ich wegen dem Mint Divan alles Mint Kugeln und Lametta und so gekauft habe. Fritz fand das total übertrieben und hat sich im Globus an der Bar einen angesoffen, während ich Kugeln gesucht habe. Ich musste ihn regelrecht von der Bar wegzerren, während er ständig gelallt hat:  Fröhliches Kugeln mitenand. Und: Ho, Ho, Ho, wir sind im Mintermunderland. Weisst du, wie peinlich mir das wahr? Schrecklich kann ich dir sagen!“ - Frau Meier: „Du Arme, das ist ja schlimm. Aber ist gut, dass Du es mir erzählst. Ich werde dann ohne Heiri Weihnachtsschmuck kaufen gehen. Ich hoffe nur, dass es dieses Jahr wieder diese senffarbenen Kugeln gibt, die ich letztes Jahr schon gesehen habe. Da fand ich die noch unmöglich, aber jetzt, wo wir das Sofa haben und die Verkäuferin mir versichert hat, dass dies die Farbe des Jahres ist, da muss ich natürlich auch den Baumschmuck haben, damit alles schön zusammen passt. Du weisst ja: Ich wohne gerne schön.“
www.miraclesofthearts1.blogspot.com

Ich muss jetzt mal ketzerisch etwas offenbaren: Leute, die diesen letzten Satz immer und immer wieder äussern, haben in den allermeisten Fällen keine Ahnung von Innendekoration. Ganz zu schweigen von Harmonie und Ästhetik in diesem Bereich. Diese Spezies ist in der örtlichen Häkelgruppe hyperaktiv, fährt mit Vierzig zum Selbstfindungs-Malen in die Toskana und zwingt ihren Heiri in der verzweifelten Endphase zum tantrischen Kreistanz, weil Frau Hugentobler gesagt hat, dass sei jetzt der letzte Schrei. Es muss einfach mal gesagt werden: Möbel-Pfister-Wohnkombination-Einkäufer sind Schafe, die von der Klippe springen würden, wenn der Verkäufer sagt, dass dies gerade im Trend ist. 

Etwas zu kaufen, das über tausend, hart verdienter Schweizer Fränkli kostet, nur aufgrund eines vorübergehenden Trends, ist überaus töricht, ausser man ist Multimillionär. Der Durchschnittsverdiener sollte davon tunlichst die Finger lassen. So was hat schon Banken in den Untergang getrieben. Etwas, dass hipp ist, man sich ins Wohnzimmer stellt und nächstes Jahr wieder out ist, das muss möglichst kostengünstig sein, damit man es schnell wieder loswerden kann. Sonst steht es da noch zehn Jahre später und verpestet das Wohnklima. Ein dreifaches Hoch auf IKEA. Und ein zünftiges Buh an die helvetischen, heiligen Möbelkühe Pfister, Müller, Ferrari, Schubiger und sonstige nicht vorhandenen Stilikonen. 

Schönes Wohnen kann man sich nicht als Kombination bei Pfister kaufen. Es entsteht erst, wenn man sich Zeit nimmt, sich umschaut, die Trends wahrnimmt, aber sie nicht zum Statussymbol erhebt, sich dann aus liebevoll gesammelten Einzelstücken ein Zuhause zusammen schustert, das alle Aspekte eines ganz individuellen Lebens vereint. Ein Sofa, das nicht schmutzabweisend und nicht von Rolf Benz ist, ist ein authentischerer Zeuge eines erfüllten Lebens als ein überteuerter Divan von de Sede und Fritz wäre ganz bestimm weniger möff.

www.worldartresources.com

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen